Noch vierzig Tage, und Ninive wird zerstört!
Liebe Gläubige,
die heutige Lesung am Montag nach dem Passionssonntag führt uns mit dem hl. Propheten Jonas in das achte Jahrhundert vor Christus.
Jonas entstammt dem israelitischen Stamme Zabulon und wirkte zur Zeit des Königs Jeroboam II., des letzten bedeutsamen Königs des Nordreiches Israel. Jonas ist die prophetische Stimme Gottes gegen Ende dieses Nordreiches. Im Jahr 722 v. Chr. wurde dieses schließlich vom assyrischen König Salmanasar V. und seinem Nachfolger Sargon II. gänzlich unterworfen, die Hauptstadt Samaria wurde zerstört und bis auf Juda und Benjamin wurden alle Stämme des alten Israel von den Assyrern in die Gefangenschaft nach Mesopotamien und Medien verschleppt. Die Glaubensmüdigkeit und -Unwilligkeit der zehn Stämme des Nordreiches war der Grund, weshalb Gott seine schützende Hand von ihnen schließlich hinwegzogen und sie der Macht ihrer Feinde überlassen hatte.
Jonas wurde von Gott erwählt, um den Bewohnern von Ninive, der Hauptstadt des Neuassyrischen Reiches, die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes zu verkünden. In seiner Berufung wird deutlich, wie auch an vielen Stellen in den Psalmen, daß sich Gottes Heilswillen auf alle Völker erstreckt und daß auch die Heiden zu Umkehr und zur Anbetung des einen und wahren Gottes berufen sind.
Der Prophet Jonas musste zuerst Gehorsam gegenüber seiner eigenen Berufung erlernen und Sühne leisten. Aus Furcht hatte er den Ruf Gottes, nach Ninive zu gehen, zurückgewiesen und wollte vor Gott über das Meer fliehen. Schließlich fügte er sich jedoch inmitten eines gewaltigen Sturmes dem Willen des Herrn. Wir kennen alle die im Buch Jonas enthaltene und von Jesus Christus in den Evangelien zitierte Überlieferung, dass sich Jonas von den Seeleuten ins Meer werfen ließ und von einem Seeungeheuer verschlungen wurde, das ihn nach drei Tagen wieder ausspie, und zwar auf trockenes Land.
Innerlich gereinigt fügte sich Jonas nun seiner prophetischen Aufgabe und ging auf Anordnung Gottes nach Ninive: Wie die Lesung aus dem Buch Jonas berichtet (Jon 3, 1-10), war Ninive eine wahre Metropole, gelegen am Oberlauf des Tigris, gegenüber der heutigen Stadt Mosul im Irak. Von dort aus herrschte der assyrische König über ein Gebiet, zu dem neben Mesopotamien auch Syrien sowie große Teile Kleinasiens und Ägyptens gehörten und das bedeutende Zentren wie Babylon und Memphis miteinschloss. Wie die Geschichtsschreiber berichteten, waren die kriegerischen und grausamen Assyrer damals zum Schrecken der Völker geworden.
Die politische, wirtschaftliche und militärische Bedeutung Ninives im 8. Jh. vor Christus können wir mit heutigen Machtzentren wie Washington, Brüssel, Moskau oder Peking vergleichen. Jonas begann in die Stadt hineinzugehen, eine Tagesreise weit, und rief: Noch vierzig Tage, und Ninive wird zerstört! Und es geschah das Erstaunliche und schier Wunderbare: Die heidnischen Bewohner dieser Metropole, die so sehr im Götzendienst und in den verschiedensten Lastern verhaftet waren, glaubten an Gott, riefen ein Fasten aus und taten Buße in Sacktuch und Asche.
Auch die politische Hierarchie Ninives, der König und seine Fürsten, leisteten öffentlich Sühne für Ihre Missetaten und die ihres Volkes. Sie anerkannten die absolute Gerechtigkeit und Allmacht des einen und wahren Gottes, verabscheuten ihre Sünden in ernster Buße und drückten ihre Hoffnung aus, dass Gott ihnen Barmherzigkeit erzeigen würde. So sprachen sie:“ Wer weiß, ob sich Gott uns nicht zuwendet und vergibt und sich abwendet von seinem glühenden Zorn, sodass wir nicht zugrunde gehen?“ Der Bericht des Propheten Jonas beschließt mit den Worten: „Und Gott sah auf ihr Tun, dass sie sich von ihrem bösen Weg bekehrten, und es erbarmte sich seines Volkes der Herr, unser Gott.“
Geliebte im Herrn: Sind wir Christen – in dieser vom Säkularismus so schwer gezeichneten Welt – heute nicht in einer ähnlichen Situation wie damals Jonas im alten Ninive?
Ruft nicht Jesus Christus durch seine Kirche die Menschen und Völker unablässig zu Umkehr und Buße auf?
Hat nicht die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria bei ihrer Erscheinung in Fatima im Jahr 1917 eine umfassende Umkehr und das tägliche treue Gebet des hl. Rosenkranzes angemahnt?
Nehmen wir die heilige Fastenzeit ernst und leisten wir Wiedergutmachung vor Gottes Gerechtigkeit, die die Menschen nach ihren guten oder bösen Werken richten und ihnen vergelten wird!
Krankheiten, Seuchen, Hungersnot und Kriege haben seit jeher die Menschen geplagt, und diese haben sich gerade in solch schweren Zeiten besonders an Gott um Hilfe gewandt. Gott allein ist allmächtig! Er allein kann uns wirklich helfen, und er will uns auch beständig helfen. Aber wir sündhafte Menschen müssen seine Medizin, die er uns reicht, auch annehmen!
Um wieviel schlimmer als leibliche Übel sind die Krankheiten der Seele: Glaubenslosigkeit und religiöse Gleichgültigkeit, Atheismus, Aberglaube und Götzendienst? Aus diesen Übeln ist in den vergangenen 250 Jahren eine Kultur des Todes erwachsen, die historisch wohl keine Parallelen findet.
Beten und opfern wir im Geist der Sühne, der allmächtige Gott möge die Menschen vor den Folgen ihrer Sünden verschonen, er möge der Kirche und der Welt seine Barmherzigkeit erweisen, die in Sünden Verstockten bekehren und uns im Glaubensleben festigen und eifriger machen!
Das Versprechen Unseres Herrn Jesus Christus im
heutigen Evangelium nach Johannes
(Joh. 7, 32-39) möge uns mit Hoffnung erfüllen: „Wenn jemand dürstet, so komme
er zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, aus dessen Leib
werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Der hl. Johannes fügt erklärend an:
„Das aber sagte er von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn
glauben.“
Christus ist die reinigende und heilende Medizin, auch für unsere schöne, neue und aufgeklärte Welt, die von der Last ihrer Sünden und deren Folgen immer mehr erdrückt wird:
Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben!
Glauben wir an ihn und nicht an die törichte Weisheit unseres Zeitalters!
Machen wir uns auf – und kehren wir um zum Herrn!
Kanonikus Richard von Menshengen