Predigt am Christkönigsfest, Patronat des Instituts Christus König und Hohepriester, dem 29. Oktober 2023, von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
„Dann bist du doch ein König“. Diese Worte des Pilatus beantwortet der Herr mit den eindeutigen Worten: „Ja, ich bin ein König“ (Jo 18, 37). Warum nennt der Herr sich so? Warum verehren wir Ihn nicht nur am heutigen Tag, sondern an allen Tagen des kirchlichen Jahres in der Heiligen Messe als unseren König und Herrn? Warum trägt unser Institut den Namen Institut Christus König und Hohepriester? Die Antwort ist eine dreifache.
Zunächst einmal, so sagt schon der große Papst Pius XI., der das heutige Fest für die ganze Kirche verpflichtend gemacht hat, ist der Herr deswegen König, weil Er der wahre, der allmächtige, der furchterregende einzige Gott ist; weil Er alles beherrscht im Himmel und auf Erden; weil Er mit dem Vater und dem Heiligen Geist eine göttliche Natur hat, und weil Er vor aller Zeit an die Welt nicht nur vorausgesehen hat, sondern sie dann auch in der Kraft des Vaters geschaffen hat, mit Weisheit in der Kraft des Sohnes regiert und durch die ständige Gegenwart mit der Kraft des Heiligen Geistes erhält. Deswegen ist Er König! Deswegen verehren wir Ihn! Deswegen hat Er einen Rechtsanspruch nicht nur auf unsere tägliche Verehrung, nicht nur auf die Gottesdienste und Andachten der Kirche, sondern auch auf die totale Antwort der Hingabe unseres ganzen Lebens, damit wir Ihn ehren und lieben mit der ganzen Kraft unserer Seele und unseres Herzens. Wir sind die Geschöpfe dieses Königs, und Er herrscht über uns unbeschränkt mit Gerechtigkeit und Liebe: Er als Gott König aller Dinge, aller Engel und aller Menschen!
Dann aber ist der Herr aus einen zweiten Grund König, nämlich weil Er, der eine wahre Gott, eins mit dem Vater und dem Heiligen Geist, aus Barmherzigkeit Mensch geworden ist; weil Er hinabgestiegen ist in diese Welt, die Er geschaffen hat, um sie zu erlösen; weil Er in der wunderbaren Menschwerdung im jungfräulichen Schoß Mariens und sichtbar am Weihnachtsabend für uns Mensch geworden ist, damit Er uns zum Vater zurückführen kann. Er ist zwar einer von uns, ganz Mensch, aber Er bleibt auch ganz Gott. Auch aufgrund dieser Gottmenschlichkeit herrscht Er über die ganze sichtbare Welt, herrscht hienieden über jeden einzelnen Menschen, auch über die, die das nicht wissen oder die es nicht anerkennen wollen, wie auch über jene, die sich von Ihm abgewandt haben und Ihn verleugnen.
Der Herr ist auch seiner Menschheit nach König dieser Welt! Er bewirkt jedes einzelne Geschehen in dieser Welt, entweder durch Zulassung oder durch direkte Einwirkung. Er ist gegenwärtig mit Seiner Menschheit auch dann, wenn wir sie nicht erkennen können. Er will, da Er auch der Menschheit nach der Erste ist, uns alle durch Seine milde Herrschaft zu den Geboten und Gesetzen des Vaters führen und so dafür sorgen, dass das Reich des Friedens, soweit das trotz der Sünde möglich ist, durch göttliche Kraft bereits hier auf Erden herrscht. Daher müsste Er von Rechtswegen nicht nur von den Gläubigen, sondern grundsätzlich auch von den Regierungen und allen, die herrschen, als König anerkannt werden. Die Kirche hat die Aufgabe, die Herrschenden darauf hinzuweisen, dass sie immer einen höheren Herren haben, eben Christus, den König, dem sie Verantwortung für alle ihre Taten schulden.
Schließlich ist der Herr König, weil Er, der Gottmensch, auch als König handelt. Agere sequitur esse, lehrt der heilige Thomas: Das Handeln folgt dem Sein (ScG III, 69). Dem Sein nach, also Seiner Gottmenschheit nach, ist der Herr wesenhaft unser König. Dass Er auch als König handelt, können unter anderem an drei fundamentalen Handlungsweisen Jesu Christi ablesen:
Zunächst einmal ist der Herr ein vorausschauender König, ein König, der in die Weite der Ewigkeit blickt. Er ist nicht, wie viele unsere Regierenden, in kleinlichen Geschäften verstrickt. Er will nicht schäbige Machtspiele mit uns vollziehen, sondern Er weiß, dass jeder von uns für die Ewigkeit geschaffen ist. Deswegen bleibt Er nicht im Kleinen, nicht im Kalkül, nicht in dem Haschen nach der Volksgunst befangen, wie viele menschliche Herrscher, sondern Er sieht weiter, Er sieht das Ganze, Er sieht unser ewiges Ziel. Er liebt jeden mit diesem umfassenden göttlichen Blick, auch wenn wir voller Schwächen in unserer Intelligenz und voller Sünden in unserem Handeln sind. Jeder gute König sieht voraus, jeder gute König hat einen weiten Blick. Unser Gottkönig aber sieht alles, und in diesem göttlichen Blick umfasst Er uns mit einer Liebe, die alles verzeiht, wenn wir nur wollen, und uns aus unserem Egoismus und der Gefangenschaft der Sünde herausführt.
Ein wahrer König ist immer großzügig! Magnificentia, die mitteilende Großartigkeit, ist ein Ausdruck des Königtums. So ist auch unser König ein großartig-großzügiger König. Er gibt uns immer mehr, als wir erbitten könnten. Er sieht nicht auf unsere Kleinlichkeit und unsere Berechnung: Er gibt ohne Berechnung und ohne etwas zurückhaben zu wollen, vom Reichtum Seiner Gnaden. „Ubi abundavit delictum, superabundavit gratia, wo die Schuld übergroß wurde, da wurde die Gnade überreich“, lehrt der hl. Paulus (Röm 5, 20). Wir haben alle aus Seiner Fülle empfangen (vgl. Jo 1, 16), und Er gibt nicht nur jedem das, was ihm zukommt, suum cuique, sondern ungleich viel mehr. Er lässt uns in einem unerschöpflichen Reichtum der Gnade leben, Er umgibt uns so sehr mit Seinem Wesen, das Güte und Liebe ist, dass der heilige Paulus sagen kann: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17, 28). Diese Großzügigkeit unseres Königs bringt uns dazu, auch selbst großzügig zu sein, wie die heilige Kirche großzügig ist, in deren herrlichen, wunderschönen und gnadenvermittelnden Zeremonien, so erhaben sie auch sind, sich doch nur ein beschiedener Teil der Herrlichkeit und Wunderkraft unseres großen Königs Jesus Christus widerspiegelt.
Schließlich ist unser gottmenschlicher König, wie jeder wahrhaft große und herrliche König, bereit, sich für sein Volk zu opfern, und zwar nicht nur ein klein wenig, sondern ganz und gar. Christus gibt uns Sein Herz, Er öffnet uns Seine Seite, Er vergießt für uns den letzten Tropfen Seines Blutes, obwohl ein einziger Tropfen gereicht hätte, uns alle zu erlösen. Der fleischgewordene Gott gibt uns in der Kirche immer wieder Sein eigenes Leben, Sein Fleisch und Sein Blut. Er gibt es uns, obwohl wir es nicht verdient haben; Er gibt es uns, weil Er sich ganz geben will, weil Er ganz die schenkende Liebe ist, weil alles an Ihm herrlich ist und weil Er möchte, dass auch wir von Seiner Größe, Seiner Liebe und Seiner Ganzhingabe gerettet werden.
Deswegen wollen wir am heutigen Tag ernst nehmen, wenn Offenbarung uns ein Volk von Priestern, Königen und Propheten nennt (vgl. 1 Petr 2, 9). Wir sollen als Volk von Priestern, Königen und Propheten dem Herrn nachfolgen und das tun, was Er, der königliche Herr der Welt, uns vorgelebt hat. Wir sollen vorausschauend erkennen, dass jeder Mensch für die Ewigkeit geschaffen ist und mit dem Blick der Ewigkeit auf unseren Nächsten blicken: So verstehen wir, dass unser Nächster von Ewigkeit her von Gott geliebt ist und dass wir ihm von Herzen jedes Unrecht verzeihen sollen, wie uns der Herr verziehen hat. Ebenso sollen wir wie der Herr großzügig sein, großzügig nicht nur im Materiellen, damit wir uns von allen Anhänglichkeiten an diese Welt lösen können, sondern großzügig auch im Geistigen, damit wir andere an der Freude unseres Glaubenslebens teilhaben und an der Hoffnung des Himmels teilhaben lassen können.
Schließlich sind auch wir berufen, uns ganz Gott hinzugeben, uns in jedem Moment von neuem dem Herrn zu schenken. Auch unser Herz, das oft klein und eng ist, muß sich öffnen! Es ist schwierig, den anderen zu lieben, wenn er nicht tut, was wir wollen. Aber wenn wir ihn um Christi willen lieben, wenn wir wissen, Christus hat Sein Blut für ihn vergossen, dann sehen wir plötzlich im anderen den Herrn. Dann können wir Opfer bringen, in Ehe und Familie, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, oder wo immer es schwierig wird, täglich die christliche Liebe zu leben. Auch in all diesen Situationen ist Christus König! Er will jeden Tag, dass auch wir Opfer bringen wie ein Priester, dass auch wir großzügig sind wie ein König, dass auch wir andere teilhaben lassen an der Wahrheit und Freude des Herrn, wie ein Prophet.
Wir feiern heute den großen, allmächtigen, furchteinflößenden, und doch so liebreich-barmherzigen König und Herrn. Er ist König als Gott und als Mensch wie auch in seinem vorausschauenden, großartigen und selbstlosen Handeln. Lassen wir uns von der Weisheit, Großzügigkeit und Opferbereitschaft unseres menschgewordenen Gottes himmelwärts ziehen! Dort werden wir mit Ihm, durch Ihn und in Ihm die Herrlichkeit teilen, in der er für immer zur Rechten des Vaters thront, Christus, unser König und Herr. Amen.