Predigt am Passionssonntag, dem 21 März 2021, von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am 21. März 2021

/ Februar 3, 2024/ Predigten

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Was ist das Geheimnis der Kirche? Sind es unveröffentlichte Akten? Sind es diözesane Bankkonten? Sind es immer wieder aufgeschobene und angekündigte Reformpläne? Die Medien und kleine progressistische Gruppierungen der Kirche können uns wohl kaum sagen, was das Geheimnis der Kirche ist. Nicht auf sie sollen wir hören, sondern auf die Heilige Schrift, die uns eindeutig auf das Zentrum des Geheimnisses der Kirche hinweist, wie heute im Hebräerbrief: Jesus Christus “ist nicht durch das Blut von Böcken oder Kälbern, sondern durch Sein eigenes Blut ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen und hat eine ewige Erlösung erworben. Nun aber, am Ende der Zeiten, ist Er ein für alle Mal erschienen, um durch Sein eigenes Opfer die Sünde auf Sich zu nehmen“ (Hebr 9, 12 f.).

Das eigentliche Geheimnis der Kirche ist demnach das Kreuzesopfer Christi. Es ist dieses Opfer, das das ganze Lebensopfer Jesu Christi zusammenfasst, erhöht und vollendet. Die Passion, das Leiden und vor allem der Opfertod Christi, den uns die Kirche in der Passionszeit und besonders in den Kartagen besonders vor Augen stellt, bilden das tiefste Geheimnis der Kirche, das wir nie vergessen dürfen.

Braucht Gott Opfer? Nein, Gott braucht kein Opfer. Aber wir, Geliebte, die wir von den Folgen der Erbsünde tief verletzt sind, wir, die wir unter der eigenen Sündenschuld täglich leiden, wir brauchen notwendig das Opfer Christi. Wir brauchen Gott, der Mensch wird, um Sich stellvertretend für uns am Kreuz hinzugeben! Der Tod Jesu Christi ist ein stellvertretender Sühnetod, mit dem Christus unsere Schuld auf Sich nimmt, durch den Er uns unsere Sünden vergibt und unsere Missetaten wiedergutmacht. Wer daran zweifeln wollte, der müsste an der ganzen Heiligen Schrift verzweifeln, denn wenig ist deutlicher darin ausgedrückt als der Sühnecharakter des Opfertodes unseres Herrn am Kreuz.

Der hl. Johannes sagt in seinem ersten Brief: „Er ist die Sühne für unsere Sünden. Nicht nur für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt“ (1 Jo 2, 2). Paulus ruft uns im ersten Korintherbrief zu: „Christus ist für unsere Sünden gestorben“ (1 Kor 15, 3). Ebenso sagt er im dritten Kapitel des Römerbriefes (3, 24-25) : „Ohne es verdient zu haben, werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus. Ihn hat Gott dazu bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut, Sühne, wirksam durch Glauben.“

Der Herr Selbst war sich klar der Tatsache bewusst, dass Er in diese Welt gekommen war, um uns durch Sein Opfer zu erlösen. Jedes Mal, wenn Sein Opfer unblutig auf unseren Altären erneuert wird, hören wir die Worte Christi, der sagt: „Trinket alle aus diesem Kelch, das ist das Blut meines Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26, 27). Und noch eindeutiger sagt Er: „Der Menschensohn ist gekommen, um Sein Leben als Lösegeld hinzugeben für viele“ (Mt 10, 45).

Ja, Sein Blut ist Lösegeld! Lösegeld, mit dem unsere Sündenschuld bezahlt wird, Lösegeld, mit dem wiedergutgemacht wird, was wir Gott durch unsere Sündhaftigkeit nicht an Ehre und Liebe bezeigt haben. Das Lösegeld für unsere Sünden wird uns durch die Kirche vermittelt. Darum versammeln wir uns jeden Sonntag und so oft wir können, um das Heilige Messopfer zu feiern und so das Sündopfer Christi unter uns sakramental zu erneuern. Darum hat Christus den Aposteln beim letzten Abendmahl befohlen: „Tut dies zu Meinem Gedächtnis“ (Lk 22, 19; 1 Kor 11, 23). Denn der Herr weiß, dass wir ohne dieses Opfer nicht sein können. Ohne das Opfer Christi gehen wir verloren!  Ja, die ganze Welt würde verloren gehen, wenn Er sich nicht als Sühnopfer für unsere Sünden hingegeben hätte und dieses Sühnopfer nicht der Kirche hinterlassen hätte, damit sie es durch seine Vollmacht jeden Tag auf ihren Altären geheimnisvoll gegenwärtig setzt und zeichenhaft erneuert.

Das aber, Geliebte, ist nur möglich, weil Christus Gott ist!  Darum geht es in der Kirche und nicht um all den oberflächlichen Unsinn, den wir uns oft anhören müssen. Nicht um all die Nebenfragen, mit denen der böse Feind uns vom Eigentlichen ablenken will. Es geht darum, dass wir wissen: Christus ist Gott. Er ist in diese Welt gekommen, um uns zu erlösen. Er hat sich aus Liebe für uns am Kreuz so völlig geopfert, dass Er sein ganzes Blut für uns vergossen hat – obwohl jeder einzelne Tropfen gereicht hätte, um uns zu erlösen.

Wir müssen also den Glauben an die Gottheit Christi jeden Tag erneuern. Er offenbart uns seine Gottheit eindeutig im heutigen Evangelium mit ewigen Worten: „Bevor Abraham war, bin Ich“ (Jo 8, 58). Nur Gott kann uns das durch den Mund des Gottmenschen Jesus Christus sagen. Nur Gott kann uns durch das Opfer, das Christus gibt, alle Schuld wegnehmen, unsere Sünden vergeben und wieder gutmachen, was wir durch unsere Missetaten verbrochen haben. Nur Gott hat diese Kraft, und diese Kraft hat Gott Seiner Kirche durch Christus weitergegeben. Genau diese Kraft wird gegenwärtig auf unseren Altären, und in dieser Kraft dürfen wir das hl. Messopfer feiern, um den Opferaltar Jesu Christi vereinigt, der nichts anderes ist als Golgotha, auf dem sich Christus einmal für immer für uns geopfert hat.

Als Christus sah, dass die Juden nicht an Seine Gottheit glaubten, ging er aus ihrer Mitte fort: „Er aber verbarg sich vor ihnen“ (Jo 12, 37). Wenn wir in der Kirche an der Gottheit unseres Herrn Jesus Christus zweifeln und nicht mehr sehen, dass Sein Kreuzesopfer, das auf unseren Altären erneuert wird, das Zentrum des Glaubens ist, dann geschieht uns das Gleiche: Dann verbirgt sich Christus vor uns. Am Passionssonntag verbirgt die Kirche alle Kreuze sowie Bilder und Statuen vor uns, um uns an die vom Unglauben verursachte Verborgenheit Christi zu erinnern. Wenn wir nicht mehr glauben, dass Christus Gott ist, dass Er sich für uns geopfert hat und dass dieses Opfer auf unseren Altären für unsere Sünden dargebracht wird, dann verbirgt er sich und wir verblenden. Diese geistliche Blindheit, diese Verblendung führt dazu, dass wir das Wesen der Kirche und ihr eigentliches Zentrum, den geopferten Christus in der Eucharistie, nicht mehr sehen, weil wir nicht mehr glauben wollen.

Deswegen danken wir der Kirche, dass sie uns in diesen letzten Kartagen daran erinnert, dass alles auf das Opfer Christi ankommt. Erneuern wir unsren Glauben und sagen wir mit der Kirche aller Zeiten dem Herrn: Wir glauben daran, dass Du Gott bist; ja wir wissen, Du bist für unsere Sünden und zu unserem Heil am Kreuz gestorben aus reiner Liebe; wir wissen, dass dieses Opfer unter uns gegenwärtig wird und dass in jeder heiligen Messe das Heilsgeheimnis Christi und Sein Opfertod sich zu unserem Heil erneuern! Wenn wir diesen Glauben leben, dann erkennen wir das eigentliche Geheimnis der Kirche, dann wird der Herr sich nicht vor uns verbergen, sondern wir werden Ihn sehen, „wie er ist“ (1 Jo 3,2), jetzt und in Ewigkeit. Amen.