Predigt anlässlich der äußeren Feier der Patronin der Welt- und Institutsmissionen, der kleinen heiligen Theresia von Lisieux am 24. September 2023, von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Heute gibt es viele selbsternannte Apostel. Apostel, die etwa für das Klima eintreten, für den Genderismus, für die Revolution des „woke“ oder ähnliche politische Agenden. Obwohl sehr wahrscheinlich die meisten von ihnen die Existenz objektiver Wahrheit leugnen, treten sie alle mit einem großen Wahrheitsanspruch auf und sind oft militant missionarisch, wie eben selbst ernannte Apostel. Davon gibt es so viele, dass wir uns wundern können, dass es der Kirche übelgenommen und oft untersagt wird zu missionieren, dass man sie vielmehr mundtot machen will. Viele, auch offizielle Vertreter der Kirche, scheinen deswegen die Mission als ein Anliegen „von gestern“ längst vergessen zu haben.
Die Heilige, deren äußeres Fest wir heute feiern, erinnert dagegen deutlich daran, dass die Kirche Jesu Christi und damit wir alle Anspruch und Auftrag zur Mission haben. Die hl. Theresia von Lisieux, die eine bescheidene, klausurierte Ordensschwester war, die jung gestorben ist, hat ihr ganzes Leben als Mission verstanden, und sie ist nach unzähligen Gebetserhörungen und vielen Wundern 1927 von Papst Pius XI auch zur Patronin der Weltmissionen ernannt worden. Was kann uns die hl. Theresia als Patronin der Mission und der Missionare lehren?
Zunächst zeigt sie, wie das Zweite Vatikanische Konzil in seinem Missionsdekret Ad Gentes sagt -, dass „die pilgernde Kirche“ „ihrem Wesen nach ‚missionarisch‘“ ist (AG 2). Wir haben keine andere Wahl! Wir können uns nicht von der Mission abwenden, denn die Kirche selbst ist als pilgernde Kirche in dieser Welt zu den Menschen gesandt, um ihnen die Wahrheit Jesu Christi zu verkünden. Die Kirche hat keine Wahl, denn sie ist missionarisch und muss missionieren, damit der Auftrag Jesu Christi erfüllt wird.
Das liegt daran, dass die Kirche der Wahrheit verpflichtet ist. Wenn wir einen Menschen kennen, der in einem schweren Irrtum befangen ist und einer Lüge folgt, dann haben wir schon als Mitmenschen die Pflicht, ihn über seinen Irrtum aufzuklären und ihm die Wahrheit mitzuteilen, damit er sich und anderen nicht schadet. Wenn aber die Wahrheit nicht aus menschlicher Erfahrung kommt, nicht aus unserer eigenen Erkenntnis, sondern von oben, von Gott, wenn sie uns von dem fleischgewordenen Sohn Gottes Selbst offenbart worden ist, dann hat diese Wahrheit einen Anspruch, der unser ganzes Leben umfasst. Wir dürfen die geoffenbarte Wahrheit nicht für uns behalten, wir müssen sie in Wort und Tat weitergeben, damit andere die Wahrheit, die Christus ist, erkennen können und von ihren Irrtümern geheilt werden.
Es gibt nur einen wahren Gott! Das bedeutet leider nicht, dass alle Menschen diesen wahren Gott wirklich kennen und lieben. Wer aber durch die Gnade Gottes und die Verkündigung der Kirche mit der Erkenntnis des einen wahren Gottes beschenkt worden ist, hat den Auftrag und die Pflicht, andere mit diesem einen wahren Gott bekannt zu machen, damit auch sie Gott lieben können und zu dem Ziel gelangen, das Gott in Seiner Liebe für sie bestimmt hat. Wer die Wahrheit kennt, schon auf natürlicher und erst recht auf übernatürlicher Ebene, muss sie weitergeben und darf sie nicht für sich behalten, damit alle den richtigen Weg gehen können. Das ist auch der große Auftrag Jesu Christi, den Er ausdrücklich den Aposteln und durch sie auch uns gegeben hat: „Euntes ergo docete omnes gentes“ (Matth 18,19): Gehet hin in alle Welt, lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Das ist die klare Botschaft des Matthäusevangeliums.
Die frühe Kirche hat schon gewusst, dass sie diesen Missionsauftrag hat. Der heilige Paulus und die anderen Apostel sind in die Welt hinausgegangen, um die Wahrheit Jesu Christi zu verkündigen. Die Kirche ist Weltkirche geworden, weil schon die Apostel, alle ihre Nachfolger und unzählige Priester als Missionare der Sendung Christi gefolgt sind sind, um die Menschen zum Heil und zur Wahrheit Gottes zu bringen. Die Mission ist nicht in unser Belieben gestellt, sondern der ausdrückliche Auftrag unseres Herrn Jesus Christus. Er selbst ist ein Missionar! Er ist der Messias, der Gesandte Gottes des Vaters, und Er hat diesen Missionsauftrag an uns weitergegeben, damit so viele wie möglich den sicheren Heilsweg der Kirche erkennen können und zu ihrem Heil getauft werden.
Dass der Missionsauftrag aber keine alte, verstaubte, längst überholte Doktrin ist, hat uns das Zweite Vatikanische Konzil an zwei weiteren Stellen ausdrücklich in Erinnerung gerufen, die auch die Notwenigkeit der Mission erklären. Es ist wert, diese Stellen in ihrer gesamten Länge zu Gehör zu bringen, damit wir nicht dem oft behaupteten Irrtum folgen, dass die Mission der Kirche zu Ende sei. Das Konzil sagt: „So ist es nötig, dass alle sich zu Christus, der durch die Verkündigung der Kirche erkannt wird, bekehren, sowie Ihm und Seinem Leib, der Kirche, durch die Taufe eingegliedert werden. Christus Selbst hat nämlich in ausdrücklichen Worten die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe betont und damit zugleich die Notwendigkeit der Kirche, in die die Menschen durch die Taufe wie durch eine Türe eintreten“ (Ad Gentes 7). Darum, so sagt das Zweite Vatikanische Konzil sogar in zwei Dekreten, können „jene Menschen nicht gerettet werden, die um die Kirche und ihre von Gott gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in sie aber nicht eintreten oder in ihr nicht ausharren“ (Ad Gentes 7; Lumen gentium 14).
Mission betrifft das ewige Leben! So wie Christus uns vor Sünde und Tod retten wollte, so hat die Kirche den Auftrag, alle Menschen, die ganze Welt mit der Wahrheit Jesu Christi zu konfrontieren, ihr die Liebe des Herrn zu zeigen und sie durch die Taufe in die Kirche einzugliedern, damit sie in dieser Heilsgemeinschaft durch die Sakramente und die Verkündigung der Wahrheit den sicheren Weg zum Heil gehen kann. Natürlich gibt die Barmherzigkeit Gottes denen, die ohne eigene Schuld oder wider besseres Wissen nicht von anderen missioniert worden sind, die nichts von Jesus Christus wissen, die in einem unüberwindlichen Irrtum über die Kirche und die Heilsnotwendigkeit der Taufe leben, die Möglichkeit, durch Seine Gnade auf geheimnisvollen Heilswegen trotzdem gerettet zu werden (vgl. Ad gentes 7). Diese mögliche Barmherzigkeit Gottes aber hüllt sich für uns in eine dichtes Geheimnis und wir wissen darüber im Einzelnen nichts, als das dieser Weg unsicher und ungewiss erscheint.
Dagegen wissen wir durch die Offenbarung des Herrn mit Gewissheit, dass die heilige katholische und apostolische Kirche der von Gott gestiftete Weg zum Heil ist: Ihre Sakramente vermitteln die Gnade sicher jedem, der sie würdig empfängt. Die Wahrheit der Kirche kommt direkt von Jesus Christus, und wenn wir Menschen durch die Taufe in die Kirche aufnehmen und sie die Wahrheit Jesu Christi leben, dann dürfen sie sicher hoffen, gerettet zu werden. Diesen Heilsweg dürfen wir niemandem verschließen, und deswegen müssen wir durch unser Beispiel und durch unser Leben Missionare sein, die Heilswahrheit verkünden, die sie selbst erhalten haben.
Wir könnten uns nun damit entschuldigen, dass diese Verkündigung durch Wort und Tat offensichtlich die Aufgabe der Apostel und ihrer Nachfolger und Helfer, also der Bischöfe, der Priester und der eigentlichen Missionare ist, nicht aber die unsere. Was kann der katholische Laie in der Welt schon dazu tun? Diese Entschuldigung aber ist nichts als eine Ausrede, denn wir wissen gut, dass wir natürlich alle berufen sind, für unseren Glauben Zeugnis zu geben, obwohl wir oft wenig ausrichten. Wort und Tat klaffen in unserem Leben oft zu weit auseinander, als das unser Zeugnis glaubhaft sein könnte, und viele Herzen sind schon zu verhärtet, um auch das authentische Zeugnis des christlichen Glaubens anzunehmen.
Deswegen ist die Heilige des heutigen Tages für uns das große Vorbild der Mission! Denn was hat sie getan? Wie hat sie aus dem Konvent heraus, den sie nie verlassen hat, missionarisch gewirkt? Sie sagt es uns selbst: „Lieben, geliebt werden und auf Erden kommen, um zu bewirken, dass die Liebe [nämlich Jesus] geliebt wird.“ Jedes Mal, wenn wir die christliche Liebe leben, um die Gottesliebe im Gebet und in der heiligen Messe bitten und sie feiern, die Nächstenliebe leben, in jedem Opfer, das wir für den Nächsten bringen, wirken wir missionarisch. Dann bekehren wir, obwohl wir es oft nicht sehen, Seelen, dadurch ziehen wir die anderen hinan zu Gott.
Wie ist das möglich im täglichen Leben? Durch den kleinen Weg der heiligen Theresia von Lisieux! Sie nennt uns selbst die Mittel, die Gott uns zur Mission gegeben hat: das Opfer, den letzten Platz und die Selbstvergessenheit. Sie sagt: „Das einzige, um das uns niemand beneidet, ist der letzte Platz. Darum gibt es auf diesem Platz weder Eitelkeiten noch Herzeleid.“ Erkennen wir, dass wir selbst Sünder sind; erkennen wir, dass wir am Missionsauftrag Jesu Christi nur als ganz Kleine teilnehmen können. Werden wir demütig! Hören wir auf, andere zu kritisieren, sondern beginnen wir, uns selbst zu ändern. Setzen wir uns vor Gott auf den letzten Platz, dann werden Er und Seine Gnade uns erhöhen. So wird unser Zeugnis echt und wir werden andere durch unsere Demut und unsere Liebe mitbringen vor Gottes Thron.
Wenn wir uns vor diesem kleinen Weg fürchten, ermutigt uns die Patronin der Missionen, wenn sie sagt: „Man kann nichts Gutes wirken, wenn man sich selbst sucht. Ich wollte mich selbst vergessen, um anderen Freude zu machen. Von da an war ich glücklich.“ Es macht im letzten froh, sich selbst zu vergessen, anderen zu dienen, den letzten Platz einzunehmen, klein sein zu wollen wie ein Kind, in Demut anzunehmen, wenn Gott uns Kreuze und Opfer schickt, nicht zu klagen, sondern immer wieder von neuem zu beginnen, auch wenn wir gefallen sind, aufzustehen und weiterzugehen. Das sind die missionarischen Mittel, die wir – zusammen mit der gelebten Verkündigung der Wahrheit und der mutigen Verteidigung der Kirche – jeden Tag in unserem Leben neu verwirklichen können. Das ist der kleine, aber frohe Weg der heiligen Theresia von Lisieux, durch den sie eine große Missionarin geworden ist.
Denken wir immer daran, wenn wir in den letzten Platz einnehmen, wenn wir ein Opfer bringen und uns dadurch selbst vergessen, wenn wir das Kreuz Jesu Christi im Kleinen und Im Großen mittragen ohne zu klagen, wachsen wir nicht nur in der christlichen Freude, sondern wir erfüllen gleichzeitig den Missionsauftrag der Kirche. Nicht in großen Worten, sondern in kleinen, täglichen Taten werden auch wir wie die heilige Theresia von Lisieux Missionare, können auch wir wie sie „Rosen regnen“ lassen, Rosen der täglichen Gottes- und Nächstenliebe auf diese lieblose Welt. Dann kann man uns nicht den Mund verbieten, denn die Welt wird sehen: „Seht, wie sie einander lieben!“ (Tertullian, Apol. 39). An der freudig gelebten Gottes- und Nächstenliebe wird man erkennen, dass unser Zeugnis für Christus und die Kirche echt ist. Dieses Zeugnis wird vielen Gnade und Bekehrung schenken, denn wir geben Zeugnis nicht um unseretwillen, sondern um Gottes und der Menschen willen, wie die heilige Patronin der Mission Theresia von Lisieux. So verwirklichen wir jeden Tag unseres Lebens den Auftrag Jesu Christi: „Gehet hin in alle Welt, lehret alle Menschen und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“