Predigt Msgr. Prof.DDr. Rudolf Michael Schmitz am Ostersonntag, dem 17. April 2022

/ Dezember 29, 2022/ Predigten

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Victimae paschali laudes immolent christiani. « Singet Lob dem Osterlamm!“ Das Osterlamm, Christus, ist für uns geopfert worden. Was bedeutet das? Was können wir über dieses einzigartige Opfer für uns und die Welt verstehen, damit wir unsere Situation vor Gott besser begreifen können?

Dass dieses Opfergeschehen von größter Bedeutung war, sehen wir am leeren Grab. Es ist nicht irgendein Tod. Es ist nicht das Entstehen irgendeiner weiteren, auf einem Mythos gegründeten Religion wie bei so vielen, mit denen die Menschen in der Geschichte versucht haben, sich Gott gnädig zu stimmen. Die Auferstehung Christi ist vielmehr ein ganz einzigartiges, nie vorher dagewesenes Ereignis. Es ist von vielen Zeugen, die für die Wahrheit ihrer Botschaft das Leben gelassen haben, bezeugt. Diese Tatsache zeigt uns wirklich, dass das Lamm der Ewigkeit sich für uns geopfert hat.

Begreifen wir, Geliebte, die kosmische Dimension des Osterfestes! Wir in unserer kleinen Welt, im unendlichen Universum so groß wie ein Staubkorn, sind von Gott als einzige körperliche freie Lebewesen geschaffen worden, damit Er Seine trinitarische Liebe uns mitteilen kann, damit wir, jeder einzelne und wir alle zusammen, in die Gemeinschaft Gottes aufgenommen werden können. Deswegen hat Er auf diesem nur Staubkorn-großen Planeten Leben geschaffen und Freiheit geschenkt. Als wir aber diese Freiheit missbraucht haben, als wir das Böse in die Welt hineinkommen ließen dadurch, dass wir, die geliebten freuen Geschöpfe Gottes, sich in dieser Freiheit gegen ihn erhoben haben, hat Er uns nicht allein gelassen. In seiner unendlichen Liebe zu uns, hat Er schon vor aller Zeit beschlossen, dass Er sich für seine Geschöpfe opfern will!

Deswegen ist Er in die von Ihm geschaffene Zeit hinabgestiegen, hat einen menschlichen Leib, ein menschliches Herz, eine menschliche Natur angenommen, um sich aus gottmenschlicher Liebe für uns opfern zu können. Damit hat sich alles geändert! Das von der Auferstehung als gültig besiegelte Opfer der Liebe ändert nicht nur unser eigenes Leben, sondern das Schicksal des gesamten Universums. Hier wird alles von Gott neu geschaffen! Nun können wir  begreifen, warum wir gerade in der Ostersequenz gehört haben: Mors et vita duello conflixere mirando: dux vitae mortuus regnat vivus. „Tod und Leben rangen im wundersamen Zweikampf: Der gestorbene Fürst des Lebens herrscht jetzt lebend.“

In diesem entscheidenden Zweikampf, den Gott vor aller Zeit vorausgesehen hat, weil Er uns retten wollte, wird noch einmal und endgültig Tod und Leben, das Gute und das Böse, in einem Endkampf gegenübergestellt: Das Leben, der König, der Schöpfer und Erlöser, ist der Sieger und damit ändert sich alles von Neuem, wird alles neu geschaffen, wird jedes Herz guten Willens der Gnade geöffnet. In diesem Moment wird das durchbohrte Herz des auferstandenen Herrn, Zeichen dieses Zweikampfes und des Sieges, für uns das Tor von der Zeit in die Ewigkeit, das verschlossen war, aber nun für immer offen bleibt!

Wir feiern heute die wunderbare Tatsache, dass dieses Tor wieder geöffnet worden ist!  Wir feiern, dass Gott durch das Opfer Jesu Christi und seine glorreiche Auferstehung bewirkt hat, das die menschliche Natur, die er wunderbar geschaffen hat, noch wunderbarer wiederhergestellt wird!  Heute wird uns offenbart, dass die Zeit der Menschen nicht mehr in der Sklaverei der Sünde in sich verschlossen ist, sondern das Tor die Gnade weit geöffnet wurde!  Wir alle können dadurch teilhaben an der Herrlichkeit des Herrn!  

Deswegen verstehen wir auch, warum die Kirche die Osternacht mit solcher Feierlichkeit begeht. Deswegen verstehen wir, warum wir heute Morgen alle eingeladen sind, das Lob des Osterlammes zu singen, denn am Kreuz hat sich der höchste und wunderbarste Ausdruck aller Religion ein für allemal verwirklicht: Das Kreuzesopfer, das sich in der heiligen Messe unblutig erneuert, ist die Liturgie aller Zeiten. Hier sind alle Versuche des Menschen, Gott gnädig zu stimmen, erhöht, zusammengefasst und von Gott selbst vollendet worden. Deswegen hat der Herr, das Osterlamm, gesagt vom Kreuz herab: „Consummatum est“, „Es ist vollbracht.“: Eine erhabenere Liturgie, ein größerer Opferakt, eine herrlichere Offenbarung des Sieges des Herrn ist nicht mehr möglich.

Schließlich, in seinem großen Erbarmen hat der Herr uns nicht nur einmal diesen endgültigen und höchsten Akt liturgischer Gottesverehrung geschenkt, sondern diese Gottesverehrung geht weiter in der Kirche und  wird am Ende der Zeiten fortgesetzt werden in der Ewigkeit. Dort werden die Geretteten mit den Engeln und Heiligen zusammen vor dem Lamm, das geopfert bleibt, singen dürfen: „Heilig, heilig, heilig, Herr, Gott der Heerscharen!“. Die Liturgie, die wir hier auf Erden feiern, ist nur ein schwaches Abbild dessen, was auf uns wartet. Die Liturgie der Kirche ist gleichsam in die Ewigkeit hinein eine Verkündigung der noch größeren Herrlichkeit Gottes, zu deren Verehrung wir gerufen sind, ja, deren Verehrung den eigentlichen Grund und den ganzen Sinn unseres Lebens ausmacht.

Dann werden wir in der trinitarischen Liebe, die sich uns im Osterlamm zeigt, vereint sein. Dann werden wir begreifen, warum wir haben mitleiden müssen, um durch Dunkel zur Helle gerufen zu werden. Dann wird uns alles klar, dann sehen wir: Heute und an jedem Ostermorgen ist ein kosmisches Ereignis passiert, das alles neu geschaffen hat, das alles ändert, das unser Leben ganz ergreifen muss und das die Kirche zu jenem Heilsinstrument macht, durch das alle eingeladen sind, um das Osterlamm auf ewig zu verehren.

Deswegen sind wir heute gerufen, das Osterlamm von ganzem Herzen zu loben, deswegen ist unsere Freude echt und deswegen hat sich die ganze Welt gewandelt: Der Sieger über Tod und Teufel ist erstanden und wir dürfen an seinem Sieg teilhaben und ihn loben mit der ganzen Christenheit: Victimae paschali laudes immolent Christiani.

Amen, alleluja.