Predigt Msgr. Prof.DDr. Rudolf Michael Schmitz zur Woche der Einheit der Christen, am 23. Januar 2022, dem dritten Sonntag nach Epiphanie

/ April 22, 2023/ Predigten

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wer ist katholisch? Das ist eine Frage, die wir zunächst beantworten müssen, bevor wir von der Einheit der Christen sprechen. Wir stehen in der Woche der Einheit der Christen und wir sind aufgerufen, für diese Einheit zu beten. Wohlgemerkt, nicht für die Einheit der Kirche, die bereits existiert, sondern dafür, dass alle Christen zur Kirche finden und sich in ihr vereinen. Um das aber tun zu können, um zu wissen, um was wir da beten, müssen wir uns fragen: Wer ist eigentlich katholisch?

Natürlich gehört jeder, der getauft ist, zur Kirche. Deswegen nennen wir auch jene, die nicht in der vollen Einheit mit der katholischen Kirche stehen, mit Recht Christen. Trotzdem sind sie nicht im vollen Sinne des Wortes katholisch. Was es bedeutet, wirklich katholisch zu sein, sagt uns das Rechtsbuch der Kirche in seinem Canon 205, der folgendermaßen lautet: „Voll in der Gemeinschaft der katholischen Kirche in dieser Welt stehen jene Getauften, die in ihrem sichtbaren Verband mit Christus verbunden sind, und zwar durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung.“ Also ist nur der voll und ganz katholisch zu nennen, der mit der sichtbaren Kirche durch diese drei Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung verbunden ist.

Was aber bedeutet das? Das bedeutet, dass jeder, der zur vollen Einheit der katholischen Kirche gehören will, den gesamten Glauben, den die Kirche von Christus erhalten hat, ungeschmälert annimmt und in seinem Leben zu verwirklichen sucht. Der Glaube ist nicht ein Kuchen, aus dem wir uns ein Stück nach unserem eigenen Gutdünken herausschneiden können, weil es uns am besten gefällt. Den ganzen Glauben müssen wir annehmen, wenn wir katholisch sein wollen. Das gilt für die einfachen Gläubigen, das gilt für die Priester, das gilt für die Bischöfe und das gilt auch für den Papst. Der ganze katholische Glaube ist es, den wir annehmen müssen, denn er ist uns von Christus, der die Wahrheit ist, verkündet und von der Kirche in Seinem Auftrag überliefert worden.

Seien es unangenehme Wahrheiten, wie die von der Finsternis, wo Heulen und Zähneknirschen herrscht, wie wir heute gehört haben (Mt 8, 12); seien es Wahrheiten, die unser eigenes Leben hier und jetzt betreffen und zur unmittelbaren Umkehr rufen wie die katholische Morallehre: Alles gehört zum katholischen Glauben. Wir können nicht etwas herausnehmen, nicht nach selbstgewählten Kriterien auswählen, sondern wir dürfen Christus sagen: Du hast durch die Kirche all diese Wahrheiten, die für unser Heil notwendig sind, verkündet, und wir nehmen sie alle an und leben danach. Das ist das Band des Glaubensbekenntnisses, ohne das wir nicht selig werden können.

Sodann besteht das Band der Sakramente. Vergessen wir nicht, dass die meisten protestantischen Glaubensgemeinschaften nur noch ein einziges Sakrament wirklich ihr Eigen nennen können, nämlich die Taufe. Alle anderen haben sie entweder verloren, weil sie kein gültiges Priesteramt mehr besitzen, oder immer abgelehnt, so wie etwa die Firmung oder die sakramentale Ehe. Wir aber, mit den orientalischen Kirchengemeinschaften, bekennen die Siebenzahl der Sakramente. Wir schließen kein Sakrament aus, denn wir wissen, dass Christus sie direkt oder durch die Apostel eingesetzt hat, damit wir – je nach unserem Lebensstand – die Gnade Gottes durch diese Sakramente geschenkt bekommen. Ohne sie kann man nicht katholisch leben. Wer an der Siebenzahl der Sakramente nicht festhält, der rüttelt an den Fundamenten der Kirche selbst und er würde all diejenigen, die ihm folgen würden, von diesen Quellen des Heils und damit von der vollen Einheit mit der Kirche trennen. Deswegen dürfen wir auch dabei keine Auswahl treffen, sondern dürfen uns glücklich schätzen, dass wir die sieben Sakramente, jene wirksamen Heilszeichen, die Gott uns schenkt, haben dürfen und durch sie die Gnaden erhalten, die wir brauchen, um wirklich katholisch zu sein.

Schließlich bedürfen alle Katholiken des Bandes der kirchlichen Leitung. Wenn wir treu dem Stuhle Petri ergeben sind, dann bedeutet das nicht, dass wir über alles, was von Rom kommt, begeistert sein müssen. Wir sind keine Claqueure. Wir sind katholische Christen. Wir wissen, dass in der Geschichte, angefangen von Paulus, nicht wenige Heilige auch dem Papst haben ins Angesicht widerstehen müssen, wenn dieser sich in praktischen Fragen oder in Fragen der Klugheit in die falsche Richtung bewegt hat. Die Unfehlbarkeit der Päpste bezieht sich, wie wir alle wissen, nur auf die feierlich verkündeten Lehren des Glaubens und der Sitten oder jene dogmatischen Wahrheiten, die der Päpste zusammen mit den Bischöfen immer gelehrt haben. Petrus ist der Fels, auf den Christus seine Kirche gebaut hat, gerade durch seine Treue zum objektiven Glaubensinhalt der Offenbarung, die er im Licht der Überlieferung treu auszulegen hat. Petrus, der Fels, steht nämlich seinerseits nur fest, wenn er auf dem Urgestein der Offenbarung in Schrift und Tradition aufruht. Dadurch hat die Kirche die Einheit bewahrt und Petrus seine Aufgabe, alle im Glauben zu stärken, erfüllen können. Das ist der Maßstab unserer Treue zur Leitung der Kirche, die nicht willkürlich befiehlt, sondern und Weisung und Richtung aus dem überlieferten Fundament von Dogma und Moral geben muß.

Das also sind die drei Bande, die uns zu Katholiken machen. Der ganze unverfälschte und von Christus uns hinterlassene Glaube, die sieben Sakramente als von Christus eingesetzte wirksame und sichtbare Zeichen der Gnade sowie die Treue zum Felsen Petri, der auf der ganze Offenbarung Christi gegründet ist.

Alle, die nach diesen drei Bindungen in der sichtbaren Gemeinschaft der Kirche leben wollen, sind katholisch. Sie brauchen, damit sie katholisch bleiben können, jene Demut, die der römische Hauptmanns zeigt, wenn er sagt: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach“. Wir entscheiden nicht mit unserem „autonomen“ Hochmut über den Inhalt des Glaubens. Der heilige Paulus sagt daher: „Haltet euch nicht selbst für klug“ (Röm 12, 16). Wir entscheiden nicht über den Glauben, wir entscheiden nicht über die Sakramente, wir entscheiden nicht über die Kirchenleitung, sondern wir nehmen demütig an, was von Gott kommt. Wenn wir mit der Demut der Gottesmutter auch in den Dingen, die uns schwerfallen, den ganzen katholischen Glauben annehmen wollen, wenn wir wirklich aus der Kraft aller Sakramente leben, und wenn wir auch in schweren Zeiten dem Zentrum der Kirche treu bleiben, dann sind wir katholisch.

Erst dann können wir jene, die es noch nicht sind, aufrichtig einladen, uns zu folgen. Dann wissen wir, was es bedeutet, katholisch zu sein. Dann können wir für das richtige Ziel der Einheit der Christen beten. Dann erkennen wir: Die endgültige Einheit der Christen ist erst dann erreicht, wenn wir alle zur Einheit der Kirche zurückgeführt haben, wenn alle in diesen drei Banden sichtbar  mit Christus verbunden sind und wenn alle in der einen sicheren Heilsgemeinschaft vereint sind, die die Kirche als mystischer Leib Christi bildet und in der Christus, als das Haupt, allen die große Gnade gibt, sich wahrhaft katholisch nennen zu dürfen und es zu sein. Amen.