Predigt zu Mariä Himmelfahrt 2023, von Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

/ März 31, 2024/ Predigten

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir alle kennen Menschen, die am liebsten von sich selbst sprechen. Solche Menschen sind auf die Dauer mühsam und vor allen Dingen werden sie nach einiger Zeit langweilig. Man hat genug von ihnen gehört und weiß alles, was sie von sich zu sagen haben. Die Kirche in Deutschland muss aufpassen, dass sie nicht wirkt wie diese Menschen. Wenn die Vertreter der Kirche zu viel von hausgemachten Problemen sprechen, dann besteht die Gefahr, dass die Menschen unserer Zeit nicht mehr zuhören, und dass die Kirche nur noch selbstzentriert, langweilig und bedeutungslos erscheint.

Damit das nicht passiert, wollen wir am heutigen Tage zu Maria gehen und auf sie hören, denn sie spricht nie von sich. Wenn die Gottesmutter in der Heiligen Schrift den Mund öffnet, dann ist es entweder, um Gott zu preisen wie im Magnificat, das wir gerade gehört haben, oder um uns an die Gebote des Herrn zu erinnern: „Tut, was Er euch sagt“ (Jo 2, 5). Wenn daher die Kirche verstehen will, was es bedeutet, katholisch zu sein und zu leben, dann muss, wie es immer gewesen ist, die heilige Jungfrau der Maßstab sein. An ihr können die Diener der Kirche ablesen, was zu tun ist, denn sie hat Christus immer vorbehaltlos gedient.

Zunächst war die Gottesmutter ganz der Gnade geöffnet. Vom ersten Moment ihrer Existenz im Mutterschoß an vor der Erbsünde bewahrt, hat Maria sich als Gefäß der Gnade ganz dem Wirken Gottes geöffnet. Sie hat nie selbstherrlich oder autonom gehandelt und geredet, sondern sie hat Gott wirken lassen. Die Kirche ist in ihrem innersten Wesen ebenso ein Gefäß der Gnade. Wo sie zunächst Gott wirken lässt, zunächst in Seinen Sakramenten das Heil suchen und nicht im bloß menschlichen Tun, dort folgt sie der Gottesmutter und öffnet sich wie diese dem Gnadenhandeln Gottes.

Diese Parallele kann noch weitergeführt werden: Die Gottesmutter hat den Herrn zur Welt gebracht. Sie ist das Tor, das ganz offen war auf das Kommen Gottes. Sie ist kein Hindernis zwischen uns und Christus, im Gegenteil; denn sie weist nicht nur auf den Herrn hin und erhält allen Glanz von Seinen vorausgesehenen Verdiensten, sondern sie empfängt Ihn auch tatsächlich in ihrem jungfräulichen Leib und bringt ihn zur Welt: Dadurch wird sie porta caeli, das Tor des Himmels, für uns alle! Das ist ebenso die Aufgabe der Kirche: Nicht Änderung von Strukturen und Methoden ist ihre erste Aufgabe, sondern die Verkündigung unseres Herrn Jesus Christus, Gott und Mensch zugleich! Jeder, der in der Kirche ein Amt hat, hat die große Aufgabe von Gott erhalten, auf Christus hinzuweisen, für Ihn ganz offen zu sein, um Ihn in die Welt zu allen Menschen zu bringen! So wird auch die Kirche zur porta caeli, zum Tor des Himmels.

Die Gottesmutter konnte das alles tun, weil sie immer den Glauben bewahrt hat. Sie hat nie an ihrem Sohn gezweifelt. Sie wusste von dem Moment an, als sie Ihn in ihrem unbefleckten Schoss empfangen hat, dass Er Mensch und Gott zugleich war. Auch unter dem Kreuz, auch in Not und Leid hat sie diesen Glauben bewahrt, hat die Apostel gestärkt und hat den Glauben durch das Beispiel ihres Lebens verkündet. Ebenso muss die Kirche am Glauben festhalten, den ganzen Glauben verkünden, alle Gebote Gottes ohne Abstriche den Menschen näherbringen, das Wort Jesu Christi ohne Kompromisse in die Welt rufen. So nur wird ihre Stimme gehört und die Offenbarung des Herrn, die sie ungeschmälert verkündet, unser Heil wirken, weil wir nicht den Stimmen falscher Propheten folgen. Wenn die Kirche unseren Glauben stärken soll, muss sie dem Glaubenszeugnis der Gottesmutter folgen.

Aus ihrem festen Glauben hat die Gottesmutter Mut geschöpft! Als der Herr Seine Passion erlitten hat, als Er gekreuzigt worden ist, als Er elendig und blutig den Tod eines Verbrechers starb, da stand sie unter dem Kreuz mit einigen wenigen. Sie ist nicht weggelaufen. Maria war nicht nur dann mit ihrem Herrn verbunden, als dieser von allen anerkannt und als König ausgerufen wurde, denn sie hatte die Anerkennung der Gesellschaft nicht nötig. Sie hat sich der Verspottung und der Geringschätzung zusammen mit ihrem Sohn preisgegeben und ihn bei seiner Passion begleitet. Sie hat sich nicht für ihren Sohn geschämt, sie hat ihn nicht verleugnet, sie hat unter dem Kreuz ausgeharrt. Das soll auch die Kirche in schweren Zeiten tun: Sich nicht der Zeit anpassen, den Herrn und Seine Lehre nicht verraten oder verkleinern, nicht vor dem Spott und Hohn der Menge ausweichen, sondern mit Maria unter dem Kreuz bleiben! Die Kirche und ihre Diener müssen vielmehr Christus verkündigen, „opportune oder importune“, „sei es gelegen oder ungelegen“ (2 Tim 4, 2), auch und gerade dann, wenn sie mitgekreuzigt werden und mitleiden müssen. Wie die heilige Jungfrau so muss die Kirche für Christus, den Gekreuzigten, immer mutig Zeugnis geben, sei er auch „den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit“ (1 Kor 1, 23)!

Das Zeugnis der Gottesmutter für Christus aber endet nicht unter dem Kreuz. Maria durfte durch die Ihr verliehe Gnadenfülle ebenso an der Glorie teilnehmen. Sie war ganz rein und unbefleckt!  „Tota pulchra es, Maria“, „du bist ganz schön, Maria“ singt die Kirche heute. Sie war ein Abbild des Himmels schon hier auf Erden, und weil sie von der Erbsünde unberührt war, hat sie auch die Folgen der Erbsünde nicht zu tragen brauchen. Sie ist mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden und hat, weil sie treu war, weil sie Christus verkündet hat, weil sie für die Gnade offen war, weil sie Glaubensmut und Leidensbereitschaft gezeigt hat, schließlich als Erste teilgenommen an der Glorie. Jetzt thront sie als gekrönte Königin des Himmels zur Rechten ihres Sohnes, bei dem sie immer für uns eintritt und betet.

Auch die Kirche, voll der Gnadengeschenke Gottes, zeigt bereits die Glorie des Himmels. Die herrliche Liturgie, die wir am heutigen Patronatsfest von Maria Engelport feiern, ist ein Vorgeschmack des Himmels. Die Schönheit, die die Kirche in ihren Festen und in ihren vielen Frömmigkeitsformen zeigt, lässt uns vorahnen, was Gott für uns in den ewigen Wohnungen bereitet. Die Kirche zieht uns empor zur Ewigkeit Gottes!  Sie ist keine Weltverbesserungsorganisation, sie ist keine menschlicher Verein, keine politische Gruppierung. Sie ist vielmehr das Tor zum Himmel; sie ist die Pforte zur Glorie! Sie nimmt uns mütterlich bei der Hand, weist uns mit der Wahrheit Gottes den Weg, stärkt uns durch ihre Sakramente, reinigt uns von unseren Sünden, damit wir die Glorie erreichen können und dort einst vereint werden Christus und Seiner jungfräulichen Mutter.

Obwohl die Gottesmutter nie von sich selbst spricht, ist sie uns demnach ein Abbild, eine Ikone der Kirche, wie sie nach Christi willen sein soll. Maria zeigt, was wir tun sollen, als mystischer Leib Christi und als einzelne Glieder der Kirche. Sie ist für die  Gnade ganz offen, sie bringt Christus in die Welt, sie bekennt und lebt den Glauben, sie steht unter dem Kreuz, wenn alles schwer wird und sie nimmt durch all das teil an der Glorie, was auch wir tun werden, wenn wir an Ihrer Seite und unter Ihrem Mantel bleiben, wie so viele Pilger hier in Engelport seit über 800 Jahren. Wir wissen jetzt, die Heilige Jungfrau wird die Kirche wiederbeleben, mehr als alle menschlichen Worte und alle selbstgefundenen Wege. Wenn wir Maria folgen, dann kommen wir zu Christus! Durch Maria zu Christus: Das ist das Motto des heutigen Festtages und der ganzen heiligen Kirche. Amen.