Predigt Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz am 25. Dezember 2022 (1.Weihnachtsfeiertag)

/ März 1, 2023/ Predigten

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wenn etwas ganz Unglaubliches geschieht, etwas, mit dem niemand mehr gerechnet hatte, etwas, das sich unserem täglichen Menschenverstand entzieht, dann gibt es eine Reihe unterschiedlicher Reaktionen darauf.

Die einen – nach dem Motto „Was nicht sein darf, das nicht sein kann“ – leugnen, dass ein Mensch plötzlich gesund werden kann, dass jemand, den man schon für verloren geglaubt hatte, wiedergefunden wird, dass irgendetwas ganz Besonderes passiert, das ihr Leben ändert. Man leugnet einfach, man weiß es besser, man schaut in eine andere Richtung, man will es nicht wahrhaben.

Die anderen meinen, all diese besonderen Ereignisse würden in das Märchenreich gehören. Das sei nur etwas für Kinder. Man könnte sich sicherlich damit trösten, aber mit der Wirklichkeit habe das wenig zu tun. Es wird manchmal dann wohl weitererzählt als eine unglaubliche Geschichte, aber keiner schenkt dem so richtig Glauben.

Schließlich aber gibt es Menschen, die wissen – entweder, weil sie aus Weisheit und Klugheit die Dinge besser durchschauen oder weil sie ein einfaches, klares, unverstelltes Herz haben – , dass Gott größer ist als die Menschen und tun kann, was wir nicht für möglich halten und was im menschlichen Bereich ohne Ihn auch nicht möglich wäre.

Genau diese drei Möglichkeiten zu reagieren, finden wir heute vor der Krippe in Bethlehem wieder. Da sind zunächst die, die immer auf den Messias gewartet haben, die Ihn aber nicht annehmen, als er dann kommt, als dann die Zeichen des Himmels auf ihn hinweisen, als Er dann vom Himmel her in die Mitte des wartenden Volkes tritt, das Jahrtausende lang durch die Propheten auf ihn hingewiesen worden ist. Sie finden noch nicht einmal einen Platz für Ihn in der Herberge. Alle ihre Gelehrten und alle diejenigen, die die heiligen Schriften meinen genau kennen zu können, sind gegen ihn: Weil nicht sein darf, was nicht sein kann! Noch heute können die Halbweisen, die Halbgebildeten, die sich für klug halten, aber Gottes Zeichen nicht lesen wollen, alle die sich auf pseudowissenschaftliche Vorurteile zurückziehen, den Herrn als den Messias nicht erkennen und nicht annehmen. Sie mögen an den Fakten vielleicht nicht zweifeln, kommen aber nicht zum richtigen Urteil.

Die anderen, und dazu gehören wieder viele unserer Zeitgenossen, verweisen die Menschwerdung unseres Herrn in das Reich des Märchens. Das ist etwas für Kinder, das geht zu Herzen der Kleinen an der Krippe. Da können wir ein paar Kerzchen anmachen und wir können uns eine halbe Stunde wohlfühlen, wir können ein paar alte Lieder singen. Dann ist alles wieder gut und wir gehen zum täglichen Leben über. Es ist nur ein frommes Märchen, es hat gar nicht wirklich stattgefunden, meinen sie. Das bedeutet praktischerweise nämlich auch, dass wir unser Leben nicht zu ändern brauchen und alles weitergeht wie bisher. Wir alle kennen diese Haltung, denn wir sind alle davon bedroht, durch die falsche Verniedlichung des Weihnachtsgeheimnisses, wie den Weihnachtsmann und allerlei andere kitschige Albernheiten, diese falsche Haltung zu übernehmen.

Doch, da sind auch die, die wirklich weise sind, die wirklich die Schrift tief erkannt und die Zeichen der Zeit gelesen haben. Da sind die Weisen, die aus dem Morgenland herkommen, weil sie wissen: Alle Voraussagen sind wahr, alles deutet darauf hin, dass jetzt geschieht, was das Drama der Menschheit vollendet, dass jetzt der Erlöser kommt, dass Er dort in Bethlehem, in der verachteten Stadt geboren wird. Sie sind die Sehenden! Der Stern, den ihre Weisheit ihnen gezeigt hat, offenbart es ihnen: In Bethlehem ist der Erlöser, dort ist der König, der Messias. Die ganz Weisen, die Großen, die wirklich die Geschichte verfolgt haben, erkennen die Wahrheit und beten den Heiland an. So auch die Gottesmutter, die von göttlicher Weisheit tief und innerlich erleuchtet, sofort weiß: Ihr Sohn ist es, der angekündigt wurde, der Erlöser, der König, der Erretter nicht nur des Volkes Israel, sondern der ganzen Welt.

Ebenso kommen auch die, die einfachen Herzens sind, die sich nicht von falschen Ideologien ihren Geist verschließen lassen, die nicht – weil etwas nicht sein kann, was ihr Leben ändern würde – einfach die Wirklichkeit leugnen oder das Geheimnis passend verniedlichen. Da sind die, die sich ein einfaches Herz, eine offene Seele und einen klugen Geist bewahrt haben, die Hirten, die das Wort der Engel hören und sofort glauben. Sie eilen an die Krippe und sie sehen! Es ist Wirklichkeit geworden: Der Retter ist da, für die Menschheit ist das Elend zu Ende und das Heil beginnt.

Zu dieser dritten Gruppe wollen wir gehören und gehören wir, weil wir heute gekommen sind, nicht, um den Messias zu verleugnen in einer falschen hochmütigen Pseudo-Weisheit, nicht, um eine Stunde Gefühlsduselei zu erleben, sondern um den Messias anzubeten, der vor 2000 Jahren wirklich Mensch geworden ist. Er ist der große, der rettende Gott, der alles erschaffen hat, der so klein wird, dass wir Ihn in unserer Armseligkeit begreifen und umarmen können. Er liebt uns in Seiner Barmherzigkeit so sehr, dass Er in jedes Herz kommen will, dass Er in jeder Wohnung Seine Wohnstätte aufschlagen will, dass Er niemanden allein lässt, sei er auch alt, sei er auch krank, sei er auch hilflos und nicht geehrt von dieser Welt.

Der Heiland ist einer von uns geworden! So sehr, dass Er in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt und dort arm und einsam wäre, wenn nicht diejenigen, die wirklich etwas verstehen und diejenigen, die ein gutes Herz haben, von weit herkämen, um Ihm Gesellschaft zu leisten. So sind wir alle gekommen, um den Herrn anzubeten, anzubeten mit der ganzen Kirche, anzubeten mit denen, die die ganze Wahrheit verstanden haben, weil sie auf die Stimme Gottes hören. Ihn, unseren Messias, wollen wir heute anbeten mit der hl. Jungfrau, dem hl. Joseph, den Heiligen Drei Königen, den Hirten und allen Heiligen der Kirche. Amen.