Predigt zum Fest der Hl. Familie, am 10. Januar 2021, Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

/ Januar 8, 2024/ Predigten

Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Warum wird die Familie heute immer heftiger angegriffen? Sie wird angegriffen, weil sie, sei es als natürliche oder christliche Familie, eines der größten Geschenke Gottes an die Menschheit ist.

Jeder wird in einer Familie geboren und diese Familie hat so viele gute Seiten, dass wir ohne sie weder sein noch leben könnten; ohne sie wären wir nicht, was wir sind; ohne sie würden wir nicht lernen, in Gemeinschaft zu leben und ohne diese Familiengemeinschaft auch Gott in der Kirche nicht richtig verehren. Die Familie ist von so großer Wichtigkeit, dass unser alter Feind, der uns nur Böses will, sie angreift, wo er eben kann. Am Fest der Heiligen Familie wollen wir uns daher auf das große Geschenk besonders der christlichen Familie besinnen, denn Gott Selbst hat entschieden, in einer Familie Mensch zu werden, damit wir sehen können, dass die Familie so wichtig ist, dass Er durch Seine Gegenwart in der Heiligen Familie die natürliche Familie besonders heiligen und mit übernatürlichen Gaben stärken wollte.

Zunächst schenkt uns die Familie Gemeinschaft. Wir wissen, dass der Mensch ein Gemeinschaftswesen ist, dass er nicht allein leben kann. Wenn wir vereinzelt sind, dann sind wir verletzlich! So brauchen wir gleich von Anfang an, gerade dann, besonders wenn wir als Kleinkinder und Kinder, als Jugendliche verletzlich sind, den Rahmen der Familie. Wir brauchen diejenigen, die uns schützen, die uns helfen, die uns zur Seite stehen, die uns erziehen, damit wir eben nicht vereinzelt und manipulierbar sind, sondern einer Gemeinschaft leben können, die uns hilft, menschlich zu handeln und die uns als Christen zu Gott führt. Die Familie gibt uns eine außerordentliche Geborgenheit. Wer alleine leben muss, der weiß, wie schwierig das oft ist. Auch wer allein ist, wird durch die weitere Familie und den Freundeskreis Geborgenheit suchen.

Die Familie gibt uns aber jene Geborgenheit, die wir brauchen, damit wir uns nicht in der Kälte dieser Zeit verlieren. Sie gibt uns die Geborgenheit des Zuhauses, des Behütetseins, des Umgebenseins von liebenden Menschen, an die wir uns wenden können, wenn wir allein sind oder uns traurig fühlen. Selbst wenn in keiner auch noch so guten Familie alles ideal ist, wenn die Familienmitglieder schwache Menschen mit Grenzen und Fehlern sind, so gibt der Zusammenhalt der Familie doch eine Kraft, die wir allein schwer erringen können

Darüber hinaus gibt die Familie uns das, was der Staat uns nicht geben kann, nämlich persönliche Sicherheit. In der Familie, besonders der christlichen Familie, kann sich der eine auf den anderen verlassen. Das mag nicht immer ohne Spannungen abgehen, aber im Letzten hält doch die Familie meist zusammen, wenn es darum geht, Schwierigkeiten zu überwinden und auch ganz einzigartige Situationen zu ertragen. Wie viel einfacher ist es nicht, in einer Familie zusammen zu sein, wenn der Tod an die Türe klopft? Wieviel einfacher ist es nicht, sich in der Krankheit behütet zu fühlen, wenn die Familienmitglieder sich um uns kümmern? Wie viel einfacher ist es nicht, sich in Sicherheit zu wissen, wenn wir selbst uns in Schwachheit und Alter nicht mehr um unsere eigenen Dinge kümmern können, aber die anderen Familienmitglieder uns zur Seite stehen, damit wir besser leben können. Die christliche Familie schenkt uns diese einzigartige gegenseitige Hilfe, denn diese gegenseitige Hilfe ist leider nicht mehr selbstverständlich. Manchmal muss man sich überwinden, auch in der Familie, um dem anderen gegen den eigenen Egoismus beizustehen. Jeder muss sich gleichsam zurücknehmen, damit er in der Familie dem anderen Hilfe leisten kann. Diese Hilfe ist eben keine bezahlte, sondern eine opferbereite Hilfe. Sie ist eine Hilfe, die wir freiwillig leisten, weil wir uns in dem Rahmen der Familie gegenseitig stützen. Wir tun das in der berechtigten Hoffnung, dass die Familie auch uns zur Seite steht und uns ebenso hilft, wenn wir sie brauchen.

Die Familie schenkt uns ebenfalls eine einzigartige Eingebundenheit. Wir sind nicht allein, sondern wir sind in einem großen Ganzen eingebettet, einem Ganzen, das nicht nur die kleine Familie umfasst, sondern, wie wir es an der Heiligen Familie sehen, auch die Großfamilie, die wir in diesem besonderen Fall die Heilige Sippe nennen. Wir sehen, dass sich die Heilige Familie auch auf den weiteren Familienkreis verlässt. Der Herr, der verloren gegangen scheint, wird zuerst im Familienkreis gesucht, sucht, schon vorher besucht die hl. Jungfrau ihre Cousine Anna, oft befindet sich die Gottesmutter im Familienkreis, gegenseitig stützt, die Apostel sind teilweise Vettern des Herrn, der auch in eine Großfamilie eingebunden ist. So könne auch wir, wenn es schwierig wird, dem christlichen Glauben zu folgen, in der größeren Familie, ja in der Familie der Kirche Stütze finden, denn es findet sich immer jemand, der uns hilft, der mit uns glaubt und für uns betet.

Die Wichtigkeit der Familie aber zeigt sich in einer ganz besonderen Weise dadurch, dass die Familie für viele auch das Tor zur Kirche ist. Denn weil die christliche Familie auf das Sakrament der Ehe aufbaut, weil die Familie uns einführt in den Glauben, weil die Familie dafür sorgt, dass die Kinder getauft werden, deswegen ist die Familie auch das Tor zu jener größeren Familie, zur Familie der Kirche. Die Familie der Kirche wiederum ist eine geistliche Familie, in der viele Familien Platz haben, die so, wie unser Institut Christus König, die heilige Familie nachzuahmen suchen. In der Familie der Kirche sollen wir uns in einem gemeinsamen Streben nach Heiligkeit gegenseitig darauf hinweisen, dass jede Familie, sei es die natürliche Familie, sei es die christliche Familie, sei es die geistliche Familie, offen ist auf die Gemeinschaft mit Gott und letztlich ohne diese Gemeinschaft nicht leben kann.

Um das zu verwirklichen, müssen wir in der Familie Demut und Selbstvertrauen lernen. Wenn wir wirklich die Gemeinschaft der Familie erhalten, dann findet jeder darin seinen Platz. Das bedeutet aber, dass jeder sich in der Demut übt, dass er sich nicht an den Platz eines anderen stellen will, dass er sich nicht wichtig machen will, dass er nicht immer recht haben will, dass er auch demütig verzeihen und Verzeihung entgegennehmen kann, das er Opfer bringen muß. Wir können nur dann in der Familie leben, wenn wir auf unserem eigenen Platz sind und an unserem Platz unsere Pflicht erfüllen. Familienleben gibt uns deswegen die Möglichkeit, Demut und Opferbereitschaft zu lernen.

 Dadurch, dass die anderen in der Familie ebenso ihren Platz ausfüllen und uns gleichzeitig an unserem Platz das Gefühl geben, gebraucht zu werden, gibt uns die Familie auch Selbstvertrauen. Denn ohne die Familie wären wir nichts. Ohne die Familie wären wir nur ein kleines anonymes Rad im Gesamt eines kalten Staates. Wir wären nur noch Teil des Arbeitsprozesses und kalkulierbarer Konsument! Weil wir aber in der Familie demütig unseren Platz einnehmen und ausfüllen, weil wir so anderen helfen und dienen, werden wir gebraucht und haben das Selbstvertrauen des Familienzusammenhaltes, das nicht leicht erschüttert werden kann, wenn wir als Einzelne uns in die christliche Familie einordnen. Das gibt uns dann auch jene emotionale, gefühlsmäßige Stabilität, die wir brauchen, um in der Härte des Lebens zu bestehen.

Als Erzieher junger Menschen merken wir leicht, wenn jemand aus einer gebrochenen Familie kommt. Was für ein großes Geschenk ist es nicht, eine gesunde christliche Familie als Hintergrund zu haben! Die emotionale Stabilität, die die Einheit der Familie von Mutter, Vater und Kindern gibt, kann nur dann weitergegeben werden, wenn wir sie empfangen haben. Deswegen will der böse Feind die Familien zerstören, damit wir unsicher werden und damit wir nicht die christliche Liebe weitergeben können, weil wir sie nicht empfangen haben. Die Familie ist gleichsam der Nährgrund dieser Liebe. Jeder, der durch eine christliche Familie gegangen ist, auch wenn Kreuz und Schwierigkeiten in einer solchen Familie nie fehlen, der kann geben, was er empfangen hat, nämlich die Liebe und Sicherheit, deren Hort die Familie ist.

Wenige Bedingungen, die wir alle leicht erfüllen können, tragen dazu bei, dass unser Familienleben dem Leben der Heiligen Familie täglich mehr gleicht.

Zunächst einmal müssen wir uns vornehmen, miteinander Zeit zu verbringen. Gott hat uns Zeit geschenkt, damit wir sie den einzelnen Familienmitgliedern schenken. Wie wichtig ist es, dass der Vater sich um seine Kinder kümmert! Wie wichtig ist es, dass die Mutter nicht nur immer beschäftigt ist, sondern auch mit den Familienmitgliedern Zeit verbringt! Wie wichtig ist es, dass die Kinder nicht aus dem Haus laufen, weil keiner Zeit für sie hat, sondern wissen: Dort sind Eltern, an die ich mich wenden kann, die Zeit mit mir verbringen und die mir zur Seite stehen! Dann werden die Kinder auch für die alt gewordenen Eltern Zeit haben, weil man Zeit für sie gehabt hat.

Das bedeutet auch, dass wir miteinander reden. Heute sitzen wir viel zu oft vor dem Fernsehen, sind viel zu oft vom Handy oder vom Computer völlig belegt. So entsteht gegenseitiges Unverständnis und ungutes Schweigen: Jeder starrt nur auf irgendeinen Apparat, man blickt sich nicht mehr an, man kennt das Herz des anderen nicht mehr. Schalten wir Fernseher, Computer und Handy ab! Reden wir miteinander! Nur wer redet, dem kann auch geholfen werden, nur wer redet, der kann Verzeihung geben und annehmen. Nur wer redet, der kann den anderen verstehen lernen und seine eigenen Sorgen den anderen mitteilen. Dass wir miteinander reden, dass wir am Tisch zusammen essen, dass wir Dinge gemeinsam tun, die uns die Gelegenheit geben, Familie zu werden und als Familie zu leben, ist entscheidend wichtig.

Aber über allem ist es ganz besonders bedeutend, dass wir wie die heilige Familie auch gemeinsam beten. Dass wir nicht nur die Tischgebete gemeinsam sprechen, sondern dass wir auch jeden Tag wenigstens eine Weile zusammen beten, einen kleinen Augenblick innehalten, um Gott für die Familie zu danken und Ihn darum zu bitten, unsere Familie zu segnen. Die Heilige Familie soll dann in unserer Mitte sein, und wir sollen mit ihr eine Gebetsgemeinschaft bilden, damit wir auch gemeinsam als Familie am Sonntag zur Messe gehen können, um Gott zu loben und zu danken für all das, was Er uns in der Familie geschenkt hat.

Wenn wir das tun, dann ist das Ideal der Familie, das jetzt gezeichnet worden ist, keine Utopie. Sicherlich gibt es in jeder Familie Streit, Auseinandersetzungen, Schwierigkeiten, Tod und vielleicht sogar Not. Aber wenn wir Gott in den Mittelpunkt stellen, wenn wir gemeinsam beten, wenn wir gemeinsam zur Messe gehen, wenn wir ein Glaubenszeugnis geben, auch da, wo man es vielleicht nicht mehr hören will, da beginnt die Familie zu wachsen und wirklich christlich zu werden. Dann haben wir noch mehr Kraft, miteinander zu sprechen und einander zu verzeihen. Dann wird es auch möglich sein, Zeit miteinander zu verbringen, weil Gott in unserer Mitte ist.

Dadurch werden unsere Familien wie die Heilige Familie ein Abbild der Trinität, ein Abbild jener inneren Gemeinschaft Gottes, die ebenso eine Art Familie bildet. Gott ist Gemeinschaft! Gott hat in einer Familie Mensch werden wollen! Je mehr wir unsere Familien als christliche Familien begreifen, je mehr wir uns auf das Fundament besinnen, das Gott uns gegeben hat, desto mehr werden unsere Familien glücklich sein, desto mehr werden wir uns gegen alle Angriffe auf die Familie wehren können und desto mehr wird gelten für unsere Familie: My home is my castle, mein Haus ist meine Burg! Wo Gott im Mittelpunkt der Familie ist, wo alle einander um Gottes willen dienen, wo alle Familienmitglieder sich im Gebet vereinen, bleibt die Familie stark und wird immer mehr zur christlichen, ja zur heiligen Familie! Amen.