Predigt zum Sonntag vom guten Hirten, dem 23. April 2023, Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

/ Januar 8, 2024/ Predigten

Msgr. Prof. Dr. Dr. Rudolf Michael Schmitz

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wie meisten von ihnen wissen, halten wir hier in Engelport Schafe. Letztlich haben wir zwei von diesen Schafen eine neue Weide voll frischem Gras und frischen Kräutern gegeben. Trotzdem sind sie durch eine kleine Öffnung im Gitter irgendwohin gegangen, wo es statt Gras nur Dornen gab und wo sie auch nichts zu trinken hatten. Schließlich hat dann einer unserer Kanoniker sie wieder auf die frische neue Weide zurückführen müssen.

Wenn der Herr von Schafen und Hirten spricht, dann weiß Er nicht nur genau über die Schafe Bescheid, denn Er kannte sie wie wohl alle Juden seiner Zeit aus eigener Erfahrung, sondern Er weiß auch genau über uns Becheid. Diesen vielleicht auf den ersten Blick wenig schmeichelhaften Vergleich verwendet Er nämlich, weil wir tatsächlich oft genug mit Schafen zu vergleichen sind. Schafe sind Herdentiere. Sie tun gern, was alle anderen tun und laufen den anderen blökend nach. Wer könnte von sich sagen, dass er das nicht auch schon in seinem Leben getan hätte? Das, was alle tun, das, was keinen Anstoß erregt, das, was gerade modern ist zu tun, das tun wir manchmal alle, so wie die Schafe, die der Herde gedankenlos hinterherlaufen.

Schafe werden leicht ängstlich und verwirrt. Sobald irgendwo ein unbekanntes Geräusch oder gar einen Hund auftaucht, sind sie alle verschreckt, laufen wirr durcheinander und wissen nicht mehr, was sie tun sollen. Wie leicht kann man nicht die Menschen mit Angst und Zweifel in die Irre führen. Wir haben in der Geschichte unseres Volkes im vorigen Jahrhundert und wieder ganz kürzlich erlebt, wie stark die Angst als Instrument der Herrschaft sein kann. Wir sind dann wie Schafe, nicht weniger verwirrt, nicht weniger kopflos, und wir wissen nicht mehr, was wir tun sollen.

Die Schafe folgen ihrem Nahrungstrieb und ihren anderen Instinkten. Auf der anderen Seite des Zaunes glauben sie immer, dass das Gras grüner und die Blumen schöner blühen. Wie oft sind nicht auch wir von unseren niederen Instinkten bewegt! Wir glauben, dass es anderswo besser ist, besonders weg von den Geboten Gottes. Wir vergessen, dass wir überall da, wohin wir in dem Glauben gehen, dass es dort besser ist, auch uns selbst mitbringen und auch dort sind wir dann nicht wirklich in der Lage, unsere Leidenschaften zu zügeln. Wir sind wie die Schafe, die aus dem Zaun der Gebote ausbrechen, weil sie glauben, draußen sei es besser und dann doch nur Durst und Dornen finden.

Schafe sind nicht immer vernünftig. Man sagt nicht umsonst von jemandem: Du bist ein dummes Schaf. Aber sind wir immer vernünftig? Lassen wir uns nicht oft von Hass, Neid und Lust bestimmen, so dass unsere Vernunft nicht mehr die erste Geige spielt, sondern alle möglichen anderen Beweggründe uns dazu bringen, etwas Unvernünftiges und schließlich für uns und andere Schädliches zu tun? Handeln wir nicht auch da wie die vom Instinkt getriebenen Schafe?

Schließlich sind die Schafe immer verletzlich und gefährdet. Hier, wo offensichtlich die Wölfe wiederkommen, müssen wir unsere Schafe beschützen. Wir wissen, sie können sich nicht selbst verteidigen. Sie können manchmal sogar den Wolf und andere Gefährdungen nicht erkennen und setzen sich Dingen aus, die ihnen das Leben kosten könnten. Wie oft ist es nicht in unserem Leben auch so gewesen? Wir wissen ganz genau, dass wir gefährdet sind und verletzlich sind. Nicht nur von Krankheiten, nicht nur vom Tod, sondern von vielen anderen geistigen Gefahren und Irrtümern, die wir nicht gleich erkennen und denen wir zum Opfer fallen. Auch wenn wir die Gefahren erkennen, handeln wir oft genug unvernünftig und kurzsichtig, eben wie Schafe.

Das sind die Gründe, warum der Herr uns mit den Schafen vergleicht. Darum brauchen wir wir alle einen guten Hirten brauchen! Es gibt keine autonomen Schafe, genauso wenig wie es autonome Christen gibt. Wenn wir uns selbst zu bestimmen versuchen, dann werden wir wie die Schafe der Herde nach in die Irre laufen. Wir brauchen deswegen einen guten Hirten, der die Schafe genau kennt, der weiß, wie die Herde sich bewegt, der jedes einzelne Schaf beim Namen rufen kann und der manchmal auch seinen Hirtenstab verwendet, um diejenigen, die besonders widerspenstig sind, auf den guten Weg zurückzuführen.

Der gute Hirte leitet und beschützt die Schafe, und zwar manchmal auch vor sich selbst. Denn wir wissen aus eigener Erfahrung, auch aus der Erfahrung in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, dass die Menschen oft vor sich selbst geschützt werden müssen. Sie sehen den Sinn der Gebote Gottes, die sie doch beschützen und zum jetzigen und zum ewigen Heil führen, nicht ein. Jugendliche wissen oft alles besser, selbst Gott gegenüber.  Aber wenn wir ihnen, manchmal sogar mit heilsamem Zwang, den richtigen Weg zeigen, dann tut ihnen das gut. Am Ende ihres Lebens sind sie denen, die sie erzogen haben, dankbar, dass man sie nicht den Dornen ausgeliefert hat. So ist es mit allen Christen, gleich welchen Alters und Standes!

Der gute Hirte weiß nämlich besser als die Schafe, was gut für sie ist. Die Schafe denken immer, woanders schmecke das Gras besser. Wir denken leicht, wo Gott uns scheinbar nichts zu sagen hat oder wo wir gleichsam durch die kleine Öffnung im Zaun seiner Gebote schlüpfen können, da wird es uns dann richtig gut gehen. Aber in Wirklichkeit schaden wir uns!  Wir wissen nicht, was auf der anderen Seite auf uns wartet. Wir haben den Wolf nicht in seiner ganzen Grausamkeit erkannt. Wenn wir aber den Geboten Gottes nicht folgen, wenn wir meinen, unseren eigenen Willen und unseren eigenen Kopf durchsetzen zu müssen, dann gehen wir in die Irre und stürzen den Abgrund herab, der gleich hinter der vermeintlich grünen Wiese beginnt. Vertrauen wir also dem guten Hirten und verstehen wir endlich, dass Er es besser weiß als die Schafe! Deswegen hat Gott uns die zehn Gebote gegeben, deswegen gibt es die göttliche Offenbarung, deswegen gibt es die Lehre der Kirche, damit wir trotz unserer Kleinheit und Beschränktheit den größeren, besseren, gesünderen Weg für unseren Leib und unsere Seele finden, den Weg des Heils, den der gute Hirte uns anleitet zu gehen.

Schließlich dürfen wir sicher sein, dass dieser gute Hirte, der Bischof unserer Seelen, keine Angst hat, für uns Sein Leben zu geben. Er hat es verloren am Kreuz, damit wir es gewinnen. Er hat, damit wir an Ihn glauben, klar gezeigt, dass Er der Sieger über den Tod ist und ist von den Toten auferstanden, Er wird uns immer mit seinem Leben verteidigen, Ihm sollen wir folgen! Nicht der kopflosen Menge, nicht alten Irrtümer und billigen Verführungen, sondern der wahren Lehre Jesu Christi, so wie sie uns in den Geboten Gottes und in den Verkündigungen der Kirche aller Zeiten klar mitgeteilt wird.

Für die menschlichen Schafe, die wir alle sind, und auch für die menschlichen Hirten, die nicht weniger Schafe sein können, gilt das Gebot der Klugheit, nicht der Menge, sondern dem einen guten Hirten ohne Zögern zu folgen. So hat es schon Gott dem Moses im Buch Exodus (23,2) offenbart: „Non sequeris turbam ad faciendum malum nec in iudicio plurimorum adquiesces sententiae, ut a vero devies“; „Du sollst nicht der Menge folgen zum Bösen, noch dich einem Urteil der Mehrheit anschließen, sodass du von der Wahrheit abweichst.“

Nicht die Menge, nicht die Masse, nicht die große Herde führt uns den richtigen Weg! Es ist vielmehr der eine Hirt, Jesus Christus, der Herr, dem wir folgen sollen; der eine Hirt, der Gottmensch, der uns klare Worte, Gebote, Lehren und heilswirksame Zeichen in Seiner Kirche hinterlassen hat; der eine Hirt, der wahre Erlöser, der die Schafe, die ihm folgen, zu der einen klugen Herde macht und dann dahin führt, wo in Ewigkeit immer grünes Gras wächst und immer frischer Trank zu haben ist.

Der gefallene Mensch, d.h. jeder von uns, ist immer davon bedroht, ein dummes Schaf zu werden und den Instinkten, der Macht und der Angst zu folgen. Deswegen sollen wir uns gesagt sein lassen: Sei kein Schaf! Folge nicht der blinden Menge, folge nicht der lauten Masse, sei kein dummes Schaf. Folge Jesus Christus, unserem Gott und Herrn, dem einzigen, wahren, guten Hirten! Er allein führt zum Heil! Amen.